Wise Guys
in Hamburg, Große Freiheit 36


Eigentlich wollte ich gar nicht auf dieses Konzert gehen. Dafür gibt es mehr als nur einen Grund: Es ist wieder ein Stehkonzert und mit Stehkonzerten hab ich ja so meine Negativerfahrungen gemacht. Keiner meiner Bekannten hat Lust mitzukommen oder die Karten erscheinen zu teuer zu sein. Außerdem hab ich schon Karten für das Konzert in Lübeck zwei Tage später. Und die letzten Wochen, die ich mir mit zwei Seminaren samt Prüfung um die Ohren geschlagen habe, waren anstrengend genug... ich habe also einige gute Gründe, mir heute einen ganz ruhigen Abend zu Hause zu machen. Aber irgendwie bin ich dann ja doch mit dem Wise Guys Virus infiziert und verabrede mich mit ein paar Mädels, die ich bisher nur aus dem WG-Forum kenne. Kurz: Die Theaterkasse Alsterhaus verdient ein paar Kröten an mir, denn im Endeffekt habe ich dann doch eine Karte bestellt. Da zeigt sich übrigens ein deutlicher Vorteil eines Stehkonzertes: die Qualität des Platzes hängt nicht von einer möglichst frühen Buchung ab. Feine Sache.

Wise Guys - Nur für dich

Schon Tage vorher kommen Solli und ich immer wieder gleichzeitig auf die Idee zu sagen „noch 10 Tage“, „noch 7 Tage“, „noch 24 Stunden“... und natürlich musste jetzt endlich mal ein Konzertshirt her. Welches Zitat eignet sich besonders für ein T-Shirt? Es darf ja ruhig frech sein, aber zumindest ein Insider sollte schon den Bezug zur Band erkennen. Ich entscheide mich nach kurzem Überlegen für „nur für dich“ in weiß auf schwarz. Ein Freund meint, er würde das ja dann ganz egoistisch auf sich beziehen, soll mir recht sein. Solli und Co haben Shirts mit Showdaten auf dem Rücken. Die Idee ist gut, aber nachdem die Vorderseite endlich fertig ist, habe ich keinen Nerv mehr, auch die Rückseite noch künstlerisch zu bearbeiten, es bleibt bei „nur für dich“.

Endlich ist er da: der Konzerttag. Für mich birgt er noch einen Grund mehr zur Freude: mein Seminarblock ist rum, morgen hab ich frei! Die drei Mädels stehen schon seit 17:00 Uhr vor der Großen Freiheit 36, um die Zeit habe ich mich gerade umgezogen und geschminkt. Ich weiß nur, dass ich nach einer schwarzen Jacke mit orangefarbenen Nähten suchen muss und stelle mich schon darauf ein, mir meinen Weg durch eine Ansammlung Fans bahnen zu müssen. Pustekuchen. Es ist schweineglatt an diesem Tag, der Weg von der U-Bahn über die Reeperbahn ist eine ziemliche Rutschpartie, aber ich bleibe unfallfrei. Um 18:00 Uhr treffe ich vor der großen Freiheit ein und weil dort erst fünf oder sechs Leute stehen (und frieren) fällt es nicht schwer, die anderen zu erkennen. Maren sitzt sozusagen direkt auf der Absperrkette für den Einlass und stellt klar, dass sie diese Position auch nicht mehr hergeben wird. Einlass soll um 19:00 Uhr sein. Während wir draußen stehen und sich die Große Freiheit (also die Straße) langsam aber sicher mit wartenden Fans füllt, nervt uns die Kirche von gegenüber mit ihrem gutgelaunten Gebimmel, Ohrläppchen und Zehen verweigern zunehmend jegliches Gefühl. Auch der klägliche Versuch „Jetzt ist Sommer“ zu singen hilft nicht. „Nichts wie weg hier, komm und mach dir warme Gedanken...“ Wie schön, dass es mittlerweile für jede mögliche und unmögliche Lebenslage ein passendes Lied gibt. Oder zumindest eins, was man ohne große Mühe anpassen kann.

Die Mitarbeiterin der Großen Freiheit, die draußen Plakate für Februar aufhängt sorgt für Erheiterung, ebenso diejenige, die im Kassenhäuschen kurz die Jalousien hochzieht, um ein Schild „AUSVERKAUFT!“ in die Scheibe zu kleben und die Jalousien dann wieder herunterzulassen. Zwischendurch geht immer mal wieder die Tür auf und gibt den Blick vorbei an einem Türsteher auf die Bühne frei, ein paar Töne des Soundchecks sind auch draußen zu hören. Wer sich geschickt genug den Hals verrenkt hat, hat schon vor dem Einlass jeden Wise Guy gesehen.

Um kurz vor sieben, also eigentlich kurz vor dem geplanten Einlass, bahnen sich plötzlich immer wieder Leute an der Schlange vorbei den Weg zur Tür. Klar, keiner derjenigen die schon seit Stunden anstehen findet das witzig. Die vermeintlichen Drängler verkünden jedoch, dass sie dort singen sollen und werden von den Türstehern auch reingelassen. Erst vermuten wir, dass Voice’n’Girls als Vorgruppe auftreten, aber es sind dann doch zu viele, außerdem sind auch Männer dabei. Schade, die Mädels aus Winsen hätten wir echt gerne gehört, der Radiomitschnitt aus dem Deutschlandfunk hat zumindest mir nen Floh ins Ohr gesetzt. Aaaaber: Du kannst nicht alles haben. Einige Sänger kommen noch ein paar Minuten später als die anderen, so dass wir sehen können, dass auf der Bühne ein Chor probt und die Wise Guys im Saal stehen und lauschen... Gut und schön, wir frieren und wollen rein!!! (Das soll jetzt nicht den Chor schlecht machen, ihr könnt ruhig weiterlesen... aber zu dem Zeitpunkt hätte dort Robbie Williams proben können um als Vorgruppe aufzutreten, uns war trotzdem kalt.)

Wann wir nun wirklich endlich rein dürfen weiß ich gar nicht mehr genau. Aber das lange warten direkt an der Absperrung hat sich voll gelohnt, wir stehen ganz vorne in der Mitte an der Bühne Auge in Auge mit diversen Kabeln und freuen uns tierisch auf den Abend. Es gibt auch keine Absperrung zwischen Publikum und Bühne, wir sind so nah dran, wie wir vermutlich nie wieder sein werden. Die Große Freiheit füllt sich nach und nach und wir merken, dass mehrere hundert Fans schon ein wenig nach vorne drücken. Irgendwann kommt ein 12 Jahre alter Fratz aus der siebten Klasse dazu, ein sehr kommunikativer kleiner Kerl der heute zum ersten Mal ein Wise Guys Konzert besucht. Mein T-Shirt zeigt eine erste offensichtliche Wirkung auf die Männerwelt, allerdings auf eine ganz andere Art, als ich mir das so vorgestellt hatte: Fratz erzählt, „Mein Lieblingslied ist das da“ und zeigt bei den Worten „das da“ auf mich bzw. auf mein T-Shirt. *grins*

Das Konzert beginnt völlig anders, als ich das bisher gewohnt bin. Dän kommt ganz alleine auf die Bühne, „um schon mal zu gucken, wo die schönen Frauen stehen“ wie er zuerst behauptet. Doch dann erzählt er davon, dass die Wise Guys oft CDs oder DVDs von Gruppen bekommen, die gerne mal als Vorband auftreten wollen. Oftmals sei es so, dass die Wise Guys mit diesen Aufnahmen viel Spaß haben aber im Endeffekt dann doch einen Auftritt ablehnen. Der GrooveChor Hamburg unter der Leitung von Martin Carbow (www.groovechor.de) jedoch habe sie mit ihrer DVD überzeugt und deswegen werde der Chor die nächste Viertelstunde gestalten. Wir sind schwer gespannt.

Die Sänger stürmen die Bühne in „unten schwarz oben bunt“ und liefern von Anfang an Musik, die mich hellauf begeistert. Auf der Homepage des Chores heißt es: „Mitreißend, pulsierend, funky – das ist der 50köpfige GrooveChor“. Dieser Slogan bringt es exakt auf den Punkt, der Chor ist super, macht mit „Revelation“ und „Oh Come All Ye Faithful“ eine klasse Stimmung und das Publikum lässt sich trotz anfänglicher Skepsis zum Glück auch recht schnell mitreißen. Der Fratz ist allerdings alles andere als begeistert, er hockt sich mit genervtem Gesicht vor die Bühne und sagt mir, ich solle ihm doch sagen, wenn die Wise Guys kommen... kleiner Banause!

Als dann die Show der Wise Guys mit „Wo der Pfeffer wächst“ beginnt, kann man nicht nur die fünf Jungs auf der Bühne singen hören, auch das Publikum zeigt sich erstaunlich textsicher.

Was für eine Nacht“ beherrschen dann noch mehr Leute und es ist klar, dass dieses Konzert eine einzige Riesenparty werden wird. Morgen werden wir uns dann eben sagen: das war’s wert! Dabei hat das Konzert sogar auf der Kippe gestanden, weil Saris zweites Kind kurz zuvor einen „Ich will auf die Welt“ – Fehlalarm gestartet hatte. Glück für uns, dass es nur die Generalprobe gewesen ist und das Konzert dann doch stattfinden kann.  

Wise Guys - Sari

Der Wahrheitsgehalt des Satzes „Du kannst nicht alles haben“ zeigt sich heute Abend auf zwei Ebenen sehr deutlich: Zu Einen können die Wise Guys nicht alles haben, denn rhythmussicher ist das Hamburger Publikum nicht, es klatscht fröhlich auch im Piano-Refrain das „Cheng cheng“ rein, wo es gar nicht hätte klatschen sollen. Zum Anderen können die Fans nicht alles haben, denn die Akustik ist leider echt bescheiden, aber wir stehen so nah an unseren Stars, dass uns das kein bisschen stört. Außerdem kann sich dann heute wenigstens keiner beschweren, weil wir (wir = das gesamte Publikum) einfach ALLES mitsingen. In Sitzkonzerten gehöre ich ja auch eher zu den braven Zuhörern, die Geld bezahlt haben, um die Wise Guys und nicht den Sitznachbarn zu hören... aber in dieser Atmosphäre?

Der musikalische Gruß an die Hauptstadt „Hallo Berlin“ greift die hiesige Politik auf, und gleich darauf gucken wir über den großen Teich, wo „Monica“ die Chance hätte, noch alles zum Guten zu wenden. Vielleicht sollten wir ihr mal eine CD schicken um sie ein wenig zu motivieren? „Erzähl mir die Geschichte“ ist live wunderschön, Feuerzeuge mitzunehmen war prinzipiell eine gute Idee... und wäre eine noch bessere Idee gewesen, wenn diese noch ein paar Leute mehr gehabt hätten. Immerhin waren wir zu viert, zwei vorne in der Mitte und zwei vorne links. In „Das war gut“ schwärmt Sari von einer heißen Nacht, die Choreografie dazu ist seit ich das Lied zum ersten Mal gehört habe immer besser geworden. Wobei ich mich nach wie vor frage, wieso man sich durch tausend wilde Geier in so einem Moment stören lassen sollte? Fenster zu und aus der Geier!

Danach kommt das Lied mit dem am wenigsten den Intellekt der Zuhörer fordernden Text und den schwungvollsten Bewegungen: „Achtung! Ich will tanzen“. Ich könnte mich jedes Mal wieder abrollen vor lachen, wenn Eddi, Clemens, Sari und Dän wie die Gestörten von links nach rechts und umgekehrt über die Bühne jagen und Ferenc zwischen ihnen ganz cool einfach nur einmal nach vorne und dann wieder nach hinten geht. Herrlich, so muss das sein. Die Powerfrau beneide ich auch jedes Mal wieder, wer hätte nicht gerne jemanden, der mit seinem Wasserheißdampfreinigungsgerät die Wohnung in Schuss hält. Und das dann auch noch mit dem Sexappeal, den Sari dabei rüberbringt... Puh. Hatte ich schon erwähnt, dass es in der Halle ziemlich heiß war?

Da stellt sich mir sowieso gerade die Frage, wieso um alles in der Welt diese fünf Mittdreißiger es schaffen, dass Frauen kurz vor der Vergreisung (also kurz vor ihrem 25. Geburtstag) plötzlich zu kreischenden Teenagern mutieren und sich schlimmer verhalten als jedes Groupie der Backstreet Boys???

Wise Guys - Clemens, Sari, Eddi   Die Lösung dieses Rätsels könnte eine längere wissenschaftliche Abhandlung nach sich ziehen, also werde ich hier mal lieber nicht näher darauf eingehen. Vielleicht könnte mir die Betreuerin der Wise Guys ja etwas psychologisch fundiertes dazu sagen, immerhin muss sie die Herren nach dem grauenvollen Scheitern der WGWG wieder aufbauen. Das Trauma wird in der knallharten Konfrontation mit dem Thema direkt auf der Bühne und vor den Augen des Publikums verarbeitet und so singen sich die vermeintlichen WG-Insassen „Du bist dran mit Spülen“ in die Gesichter. Auch hier stellt sich mir wieder eine Frage: Wieso steckt Clemens die von Dän mit spitzen Fingern aufgesammelte Socke in die Hosentasche? Und wieso ist vorher keiner bei „Achtung! Ich will tanzen“ auf den Socken weggerutscht?
     
Es folgt der Werbeblock. Natürlich gibt es CDs, bei denen man aber besser auf das Erscheinungsdatum achten sollte, denn die Wise Guys haben schon zu Zeiten CDs gemacht, als sie das besser noch nicht hätten tun sollen. Wem die CDs zu laut sind, der kann sich eins der Songbooks kaufen und sich die Lieder dann in der gewünschten Lautstärke vorstellen. Außerdem kann man sich in die Adressenlisten für das Wise Guys Magazin eintragen oder die DVD und diverse Merchandise-Artikel erwerben. Die Wise Guys sind übrigens die einzige Band, die Fleece-Handschuhe anbietet, das auch fleißig während dieses Teils der Show bewirbt und so Clemens die Chance gibt, sich schnell und einigermaßen unauffällig hinter die Bühne zu schleichen um sich dort in einen begossenen Pudel zu verwandeln. Schnell? Na ja, er hat schon ein bisschen Zeit dafür, denn auch für Misereor wird noch geworben und wer nicht am Projekt „Two for one world“ teilnehmen will, kann ja immer noch Kleingeld spenden, z.B. das Wechselgeld, das er am CD-Stand bekommen hat. Folglich hätte Clemens schon fast Zeit zum duschen.    Wise Guys - Dän

Nach der Werbung folgt das letzte Lied vor der Pause: „Nur für dich“. Die todtraurige Leidensmiene von Clemens, dem das Wasser aus den Haaren durchs Gesicht läuft, lässt nicht nur die Konzertneulinge fröhlich lachen. Aber auch hier gilt: das muss man einfach live gesehen haben, jede Beschreibung hilft wenig. Bei „Nur für dich“ kann ich mich gar nicht entscheiden, was ich am schönsten finde. Den bedröppelten Gesichtsausdruck des Birkenstocksandalenträgers zu Anfang? Oder doch den Moment der Verwandlung zum unwiderstehlichen frechen Sunnyboy?

Pause. In der Halle ist es tierisch warm und zusammen mit singen, tanzen, kreischen und klatschen ein recht kreislaufkollapsgefährdetes Terrain. Die Sanis sollen aber nett gewesen sein, das geht zumindest aus dem Bericht einer Umgekippten hervor. Wir beschließen, dass wir um jeden Preis stehen bleiben werden und nicht in der ersten Reihe umfallen. Das wäre uns dann doch zu peinlich, auch wenn man es heute auf Hitze und stickige Luft schieben könnte.

Die zweite Konzerthälfte beginnt mit „Mad World“, der Hymne der Suizidgefährdeten wie Dän später sagt. In einigen Gästebucheinträgen war das Lied schon erwähnt worden und ich hatte mich immer wieder gefragt, ob und wie es zu den Wise Guys passen würde. Die Antwort: Es passt hervorragend. Die fünf stehen alle völlig still auf der Bühne, die ersten Takte singt Dän komplett alleine und erst nach und nach steigen die anderen ein. Ich lausche so gebannt, dass selbst eine Gänsehaut zu bekommen zuviel Bewegung gewesen wäre, das Arrangement ist atemberaubend. Leider gibt es neben uns ein paar Jungs, die das Lied nicht besonders interessiert, sie quatschen und schränken den Genuss damit doch ziemlich ein. Schade schade. Okay, ich behaupte mal, dass die meisten Menschen die Zeile „the dreams in which I’m dying are the best I’ve ever had“ nicht unbedingt nachvollziehen können und diese Halbstarken gehören sicherlich zu dieser Gruppe. Jedenfalls ist mir schon nach wenigen Takten klar, dass ich ein neues Lieblingslied habe. Mit „Du bist die Musik“ war es Dän ja schon mal gelungen, ein Lied zu schreiben, das sehr tief unter die Haut geht, Mad World hat ganz sicher das Potential, bei den Hörern die ein oder andere Träne kullern zu lassen. Die einen mögen das lächerlich finden, aber ich finde, dass so etwas doch ein Qualitätskriterium ist.

Wise Guys

 

Als nächstes krabbelt der „Ohrwurm“ über die Bühne, der leider kein bisschen zu der durch Mad World entstandenen Stimmung passt. Aber wahrscheinlich würden viele dagegen Sturm laufen, eine so melancholische Stimmung über einen längeren Zeitraum bestehen zu lassen. Immerhin sind wir ja auf dem Konzert einer Comedy-Band. Nach einem kurzen stirnrunzelnden Gefühl von „das passt so doch nicht“ gewinnt dann der Spaß wieder die Oberhand und wir bekommen die Quittung dafür, dass wir ja unbedingt vorne stehen mussten: wir werden verschaft. Aber von Clemens lässt frau sich das gerne gefallen. Määäh.

Es folgt meine Lieblingsmoderation, in der Dän erklärt, wie Mouthpercussion funktioniert. Das hatte mich schon in Euskirchen schwer begeistert und auch hier ist dieser Effekt wieder der gleiche, wenn auch die „Performance“ der Moderation in den letzten Monaten deutlich perfektioniert worden ist. Dän deutet zunächst mit den Händen die Größe einer Basedrum an. Üblicherweise sind das ungefähr 50 Zentimeter, doch das was kurz drauf aus den Boxen donnert klingt, als sei es der Ton einer Trommel die groß genug ist, dass Dän darin stehen kann. Ein Gewitter direkt über einem selbst ist nichts dagegen... Natürlich probiert jeder „im Stillen“ aus, auch eine Hi Hat und eine Snare nachzuahmen, natürlich immer schön synchron mit dem, was Dän vormacht, damit es bloß keiner hört. Blöd nur, dass Dän sich mit dem letzten Schlag ein wenig mehr Zeit lässt als sonst und somit jeder hören kann, welcher seiner Nachbarn mitprobiert hat.

Nach den Demonstrationen des Grundbeats von DJ Ötzi und einem weiteren nicht nachvollziehbaren aber trotzdem absolut genialen Rhythmus beginnt das Intro von „Einer von den Wise Guys“. Wir befürchten schon, in der zweiten Strophe von Eddi und Sari gegossen zu werden, aber der Abstand ist dann doch groß genug. Clemens rast als kleines Kind mit großen Augen in einem bewundernswerten Affenzahn über die Bühne und wie immer in diesem Konzert singen alle begeistert mit. Als ob das noch nicht reichen würde, wird die Stimmung mit den „Chocolate Chip Cookies“ bis zum Siedepunkt angeheizt, ganz Hamburg fährt auf dieses erotische Backrezept ab selbst wenn die Kekse der deutschen Version erwiesenermaßen gar nicht sooo toll sind. Ein paar der dargebotenen Gesten sind schon ziemlich lasziv, aber das ist Geschmackssache und kommt beim Großteil der Menge richtig gut an. Sex sells, auch im A-cappella-Pop. 

Jetzt ist es zu spät“ wird uns direkt im Anschluss mitgeteilt, denn die Wise Guys sind sowas von vergeben… Das hindert keinen daran, weiter kräftig mitzusingen und Spaß zu haben. Ein kleiner Zeitsprung in die Vergangenheit lässt uns dann noch Zeugen eines Flirtversuches von Sari werden, der seiner Flamme schüchtern entgegensingt „Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf“. Wenn man Eddi glauben kann, hätte auch in dieser für Sari schwierigen Situation singen geholfen.

Wise Guys - Ferenc  

Sing mal wieder“ wird ein großer Spaß, denn im ganz ganz leise beginnenden Mitsingteil bekommt eine Zuschauerin plötzlich einen Lachkrampf von dem sie sich irgendwie nicht erholen kann. Dass Eddi zu ihr geht und lauscht, ob sie denn mitsingt macht es nicht besser, aber auch wir haben durch ihren selbstlosen Einsatz viel zu lachen. Dän meint hinterher, er sei sich ja nicht sicher, ob das nicht doch Absicht war.

Solche profanen zwischenmenschlichen Probleme scheinen Ferenc völlig fremd zu sein, er darf wieder mal mit 200 km/h als „King of the Road“ über die Standspur donnern und kassiert dafür sogar noch tosenden Applaus.

Das letzte Lied im regulären Programm wird angesagt… es ist ein weiterer Song, der neben „Mad World“ und „Erzähl mir die Geschichte“ neu im Live-Programm ist: „Feierabend“. Der im Gästebuch und im Forum auf der Wise Guys Homepage angestellte Vergleich mit „Gehnurjanie Indiebarda“ ist durchaus verständlich, „Feierabend“ kommt mit lockerem Big Band Feeling daher und die Story ist Sari schlicht auf den Leib geschrieben. Die Geschichte von Susi Schmidt und ihrem wunderschönen gelben Bagger lässt uns fröhlich schmunzelnd zuhören, auch wenn das Ende von Saris Date mit der zur jungen Frau herangewachsenen Susi nicht so ganz dem entspricht, was man sich erträumt hätte. Wir gönnen Sari eben nur das Beste, er hätte Susi ruhig bekommen können. Auch schon am ersten Abend. Däns Abmoderation passt wunderbar mitten in das Lied und wird nur von einem kurzen lauteren Part seiner Kollegen unterbrochen. Das stelle ich mir gar nicht so einfach vor, locker flockig ein paar abschließende Worte zu sagen und „nebenbei“ sehr genau aufpassen zu müssen, wann man kurz die Klappe halten muss. Respekt!

Dass es Zugaben geben wird, stand außer Zweifel. Denn auf der einen Seite gab es die ja immer und warum sonst hätte David in der Pause einen Scheinwerfer umstellen sollen, der bis jetzt in der zweiten Hälfte nicht zum Einsatz ist? Die Zugaben starten mit „Live and let die“, was aus der Nähe noch viel eindrucksvoller ist als aus der Entfernung. Vor allem das Stroboskop hat es mir dabei angetan, wobei auch die von unten rot angeleuchteten Gesichter einfach klasse aussehen. Ist der Text bei diesem Lied eigentlich wichtig? Hat der Song eine Message? Irgendwie habe ich bisher noch nie auf den Inhalt geachtet, so sehr fesselt mich die Show jedes Mal. Und ich hab das heute schon zum vierten Mal gesehen, die Choreographie ist grandios! Als zweite Zugabe wird „Ruf doch mal an“ gesungen. Bisher haben ja einige über mich gesagt, ich sei ein Groupie. Jetzt kann ich das erfolgreich dementieren: ein Groupie wäre sicherlich tot umgefallen, wenn Eddi ihr „Wiedervereinigung das wäre mein Plan…“ in die Augen gesungen hätte. Allerdings kann ich mich auch nicht erinnern, ob mich irgendwer festgehalten hat ;-) Ja ja, lacht mich ruhig aus, ich fand das toll! Ähm… wo war ich? Ach ja, Zugaben. Die letzten beiden sind klar, zuerst „Jetzt ist Sommer“ in der gewohnten schnellen Version und dann ganz zum Schluss die Ohrwurm-Reprise. Und auch hier gibt es wieder volle Unterstützung aus den Kehlen der Fans, wobei bei einigen eine Heiserkeit für die nächsten Tage garantiert ist. Wie wäre es eigentlich, wenn sich vor den Konzerten nicht nur die Wise Guys sondern auch die Fans einsingen? Dass könnte den A-cappella-Kater (der nach dem Konzert in Hamburg auch mit massivem Medikamenteneinsatz nicht zu besiegen war) doch erheblich mindern, aber diese Idee nur am Rande.

Wir sind jedenfalls hin und weg, ich revidiere meine schlechte Meinung über Stehkonzerte und freue mich auf den Afterglow. Dieser findet direkt im gleichen Raum statt wie das Konzert, so dass die Technikcrew immer wieder Leute wegscheuchen muss um unfallfrei die ganzen leeren Cases auf die Bühne und die vollen wieder runterschieben zu können. Dabei sind die Techniker der Wise Guys freundlich, die Crew der Großen Freiheit hingegen deutlich genervt und barsch. Wenn das ein Versuch sein sollte, uns schneller rauszuschmeißen ist der gescheitert. Ein junger Mann will seine Freundin loswerden und ist sogar bereit draufzuzahlen, die 50 Cent will er dann überweisen sagt er. Es bekommt wie immer jeder sein Foto und sein Autogramm (Fratz hatte sich seines dank einer Mischung aus Dreistigkeit und Kinderbonus schon direkt in der Garderobe geholt), doch auch der Smalltalk kommt nicht zu kurz. Dän freut sich sichtlich über das Lob für Mad World, Sari muss die Pralinen für seine Frau verteidigen, die einer seiner Kollegen schon als Fundsache deklarieren wollte, Clemens gräbt in seinem Gedächtnis nach einer Praktikantin mit Hustenbonbons, Eddi freut sich über Grüße und stellt fest „Ach daher kenn ich dich!“ und Ferenc ist überrascht, woher ein Fan Details aus seiner maritimen Vergangenheit wissen kann. 

Wise Guys im Afterglow   Dann kommt die fünfte Zugabe des Abends: „Weil ich ein Kölner bin“. Gesungen unter lustigen durch die Decke der Galerie gelaufenen Wachsnasen. Ich erlebe heute zum ersten Mal, dass im Afterglow noch gesungen wird und bin erstaunt, wie entspannt die Stimmen der Wise Guys so unplugged klingen. Dän kann übrigens nicht nur diverse Trommeln nachahmen, auch mit dem Tüddelütt eines knipsenden Fotohandys gelingt ihm das vortrefflich.

Zu meiner großen Freude sind dann auch die Voice’n’Girls da und singen „Bitte lass das mal“. Die Gitter vor den Theken sind dabei längst geschlossen, die Garderobenfrau hat schon verkündet, dass sie Feierabend machen will und um kurz vor Mitternacht werden wir regelrecht aus der Großen Freiheit rausgejagt.

Eins ist jetzt schon sicher: Ich werde mich morgen nur per Zeichensprache verständigen können, hab wohl doch ein wenig zu viel gejubelt. Obwohl... zu viel? Es war doch Sinn der Sache, einen richtig geilen Abend zu haben und mal voll die Sau raus zu lassen. Also passt das ja. Als Abschluss klau ich mal die Worte eines Mannes, der es wissen muss:

"Wenn man so wie in Hamburg jetzt auf der Bühne steht und die Leute singen einfach alle Songs vom neuen Album von A-Z mit, das ist schon Wahnsinn!" (Dän im Interview am 04.03.2005)

 

Erste Hälfte:
Wo der Pfeffer wächst
Was für eine Nacht
Du kannst nicht alles haben
Hallo Berlin
Monica
Erzähl mir die Geschichte
Das war gut
Achtung! Ich will tanzen
Powerfrau
Du bist dran
Nur für dich

Zweite Hälfte:
Mad World
Ohrwurm
Einer von den Wise Guys
Chocolate Chip Cookies
Jetzt ist es zu spät
Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf
Sing mal wieder
King of the Road
Feierabend


Zugaben:
Live and let die
Ruf doch mal an
Jetzt ist Sommer
Ohrwurm-Reprise

Im Afterglow:
Weil ich ein Kölner bin
Bitte lass das mal (Voice'n'Girls)



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