Richtig schaukeln
mit Nina und Solli

Besserwisserei "Richtig schaukeln"
Nina

Besserwisserei "Richtig schaukeln"
Solli

Ein sonniger Freitag im Mai 2005.

Inspiriert von der Besserwisserei "Richtig schaukeln" (Wise Guys Magazin Nr.7, S. 14f. (hier der Link zum pdf)) machen sich Solli und ich auf den Weg in den Hamburger Stadtpark, um selber mal die dort beheimatete Riesenschaukel zu testen. Auf dem Weg vorbei an der "Hongkongkehre" fällt mir mal wieder auf, wie schön Hamburg ist... Ich glaube, ich wohne in der grünsten Großstadt Deutschlands. Und ich fühl mich hier sauwohl! Kurz hinter der Manilabrücke gastiert ein kleiner Zirkus, den wir aber rechts liegen lassen, schließlich haben wir ein anders Ziel vor Augen.

Im Stadtpark angekommen müssen wir nur noch dem ausgeschilderten Weg zum Planschbecken folgen und dabei die Sonne und die frische Luft genießen. Auf dem Spielplatz tummeln sich vor allem junge Familien mit ihren Kids, einige der Mäuse dürfen heute sogar schon ins Planschbecken und werden von hinterherwatschelnden Vätern mit hochgekrempelten Hosenbeinen davor bewahrt, sich komplett nass zu machen. Andere Eltern sehen das lockerer und lassen ihre Kleinen entweder direkt nackt oder nur in T-Shirt und Windel ins Wasser. Wie wirkt sich eigentlich eine mit Planschbeckenwasser vollgesogene Windel auf den Schwerpunkt eines hockenden Kleinkindes aus? Fragen über Fragen...

Schon von weitem kann man die beiden mit Autoreifen bestückten Hügel sehen, zwischen denen sich das gigantische Schaukelgerüst erhebt, wegen dem wir hier sind. Leider führt der Weg dorthin mitten durch eine sandige Landschaft, in der Kinderträume wahr werden. Und so testen wir erst mal diverse wackelige Plattformen, Balancierbalken, eine Wippe, ein Klettergerüst und die "normalen" Schaukeln. Die Wippe ist richtig klasse. Ich möchte nicht wissen, was die nebenan sitzende Dame mit ihren Notizen gedacht haben mag, als wir mit wachsender Begeisterung und immer mehr Schwung gewippt sind... Oder heißt es "Wir haben gewippt"? Und wieso wird es Kindern auf ner normalen Schaukel eigentlich nicht schlecht??? Bei mir dreht sich schon nach kurzer Zeit alles. Erwachsen sein ist doof! Und sowieso: Früher war alles besser!!! 

Besserwisserei "Richtig schaukeln"    Besserwisserei "Richtig schaukeln"

Besserwisserei "Richtig schaukeln"

Lange können wir der magischen Anziehungskraft der Monsterschaukel aber nicht widerstehen. Wir kraxeln auf den Hügel, um uns dort zunächst auf die Autoreifen zu hocken und die Kinder zu beobachten. Außerdem wird es so langsam mal Zeit, dass wir uns noch mal die von unseren musikalischen Physikspezialisten erarbeitete Schaukeltechnik vergegenwärtigen: Magazin raus und nachlesen!

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Besserwisserei "Richtig schaukeln"

Mein ersten Annäherungsversuche an das Schaukeln der Extraklasse mache ich dann doch lieber in der konventionellen Schaukeltechnik: so hoch wie möglich abspringen und los geht's. Meine Güte, das ist schon was anderes, als so eine Minischaukel mit nicht einmal 2 Metern Seil... Ein paar Mädchen entdecken schnell, dass ich ja größer bin und sie anschubsen kann. Juliane, Alina und Christin sind zwischen 6 und 10 Jahre alt und schätzen mich im ersten Versuch auf 13. Dann auf 14, dann werden sie ganz mutig und versuchen es mit: "20?" - "Nee, noch viiiieeel älter." - "21?" - "Noch älter!" Dann schließlich raten sie richtig... aber eigentlich ist es ja auch viel wichtiger, dass ich mit Juliane auf der Schaukel immer wieder die Reifen hochklettere.

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Besserwisserei "Richtig schaukeln" 

Wie schreiben Sari und Clemens so schön: "Beim Versuch, in luftige Höhen vorzustoßen, die noch nie ein Mensch erschaukelt hat, stellten wir fest, dass man hier mit der konventionellen Schaukeltechnik nicht weit kommt. Wie man schaukelt, weiß jedes Kind, aber warum kann man sich überall mit dieser Technik immer weiter in schwindelnde Höhen schrauben, nur in Hamburg nicht?" (Wise Guys Magazin Nr.7, S.14f.) An Hamburg liegt es definitiv nicht, auf den normalen Schaukeln wenige Meter weiter funktioniert die konventionelle Technik ja hervorragend. Nur auf der Monsterschaukel versagt sie kläglich, man kann zwar mit viel Kraft die Höhe für zwei oder drei Schwünge halten, aber höher schaukeln klappt einfach nicht. Vielleicht liegt es daran, dass diese Schaukel die Möglichkeit hat, sich zu drehen? Also weil der Sitz nur an einer Kette befestigt ist, statt an zwei Ketten wie die normalen Schaukeln. Ich hätte in Mechanik besser aufpassen sollen, dann könnte ich mir jetzt über irgendwelche Rand- und Übergangsbedingungen ausrechnen, wie sich die Drehung auf die Möglichkeit auswirkt, der Schaukel durch geschicktes Verlagern des Körperschwerpunktes einen Impuls zu verpassen. Oder wie man ein so tolles Drehmoment erzeugt, dass es größer ist, als alle Trägheitsmomente im Umkreis von 20m zusammen. Oder aus welchem Material meine Kleidung sein müsste, um die Luftreibung auszutricksen und somit in den Umkehrpunkten eine höhere potentielle Energie zu haben, die man dann ja wieder in kinetische Energie umwandeln könnte. Kinetische Energie macht beim Schaukeln schließlich den Spaßfaktor aus! Blöderweise hab ich aber nicht nicht besser aufgepasst...

Also stelle ich mich wieder hinten an und nehme mir vor, beim nächsten Versuch mal die Schaukeltechnik à la Clemens zu testen, schließlich ist der im Studium weiter gekommen als ich und die Chancen stehen gut, dass seine Idee zu meinem Schaukeldurchbruch beiträgt: Im stehen schaukeln, im tiefsten Punkt hinstellen und in den Umkehrpunkten hinhocken. "Weil man dabei weniger Höhe verliert, als man beim Aufrichten gewinnt, kann man sich auf diese Weise schwindelig schaukeln." (Wise Guys Magazin Nr. 7, S.15) Das hört sich völlig simpel an... und sobald man auf der Schaukel steht, ist es das sogar wirklich. Vorher gibt's halt ein paar blaue Schienbeine, aber was tut man nicht alles für die Wissenschaft. Und das tolle daran: es funktioniert tatsächlich, man kommt damit viel höher als im sitzen! Allerdings ist das auch deutlich anstrengender, als nur auf der Schaukel zu hocken und zu warten, bis diverse Reibungskräfte einen wieder abgebremst haben und so gönnen wir uns eine Schaukelpause am Planschbecken.

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Besserwisserei "Richtig schaukeln"

Neben der Schaukelei hatten wir uns noch ein weiteres Ziel gesetzt: möglichst verrückte Sommerfotos zu machen. Deswegen packt Solli jetzt erst mal ihr Sandspielzeug aus und backt ein paar Sandkuchen: einen Anker und ein Seepferdchen. Aber so ganz hat sie den Bogen nicht mehr raus... Es sieht zwar elegant aus, wie sie so mit der Schüppe den Sand in das Förmchen bugsiert, trotzdem werden die Sandkuchen nicht sonderlich toll. Also beginnt sie, eine ziemlich mickrige Burg zu bauen und kommt dabei endlich auf die rettende Idee, dass Sand viel besser hält, wenn man Wasser dazukippt. Wenig später greift das Summerfeeling endgültig um sich, und Solli watet ins Planschbecken, um ihr Boot fahren zu lassen. Ein mit einem LKW bewaffneter kleiner Junge kommt prompt angerannt, um sich solange Sollis Eimerchen auszuborgen, um seinen LKW mit Wasser zu beladen. Irgendwie scheinen wir als junge Mamis durchzugehen, die heute nur ihre Kinder verschusselt haben. Oder wie sonst soll ich mir erklären, dass wir gegen Ende unseres Planschbeckenintermezzos gefragt werden, ob wir vielleicht eine Windel haben?

Wir hätten uns übrigens auch durch Regen nicht vom spielen abhalten lassen. Was sich die äußerst interessierte Familie drei Meter weiter denkt, als wir den Schirm auspacken, will ich lieber gar nicht wissen, Hauptsache wir haben Spaß. Der Schirm hat ja auch einen tieferen Grund: er gehört genau wie die Sonnenbrillen und das Sandspielzeug zur Ausstattung für die verrückten Sommerfotos. Und eigentlich war der Plan, mitsamt dem Schirm zu schaukeln. Irgendwie drängt sich mir da gerade das Bild von Mary Poppins auf... Nach einer Weile am Planschbecken zieht es uns noch mal zurück zur Riesenschaukel.

Hier machen wir die Bekanntschaft mit Erik und seinen Eltern. Eriks Papa gönnt seinem Sohn einen richtig tollen Tag, damit der Junge seine Kräfte erproben kann: "Erik, wenn du dich noch mal mit einer Hand loslässt, gehen wir sofort nach Hause!!!" Ferner hat Papa es auch nicht nötig, sich mal zum schaukeln anzustellen. Wozu sollten Erwachsene auch Vorbilder sein? "Jetzt bin ich aber dran!" Da macht es doch echt Spaß zu sehen, dass er Angst um seine Ledersohlen hat und ihm seine blaukarierte Unterhose immer höher rutscht. Den Hinweis eines anderen Kindes "Aber ihr Sohn will doch bestimmt auch wieder" schmettert er gekonnt ab. "Nein, der will gar nicht mehr. Erik, willst du noch schaukeln?" - "Ja!" Schön, dass sich Vater und Sohn so einig sind. Als der leicht frustrierte Erik dann seinem Vater ne Hand voll Sand hinterher wirft kommentiert dieser das mit leicht angeekelter Stimme: "Erik, hast du jetzt mit Sand geschmissen? Das find ich ja so was von bescheuert!" Meine Güte ist das schön, so völlig anders zu sein als dieser Mann!

Völlig anders? Das sind wir auf Grund unseres Alters dort sowieso, aber natürlich wird auch dem Groupietum Rechnung getragen, denn wir wären ohne den schönen Bericht von Clemens und Sari wohl nie auf die Idee gekommen, extra zum schaukeln in den Stadtpark zu fahren. So aber bildet dieser Ort eine Fülle an kindgerechter Inspiration und zusammen mit einer großen Portion staubtrockenem Humor eine explosive Mischung: "Auf genau dieser Schaukel hat Clemens mal gesessen!" - "Dann werden wir uns nie wieder den Hintern waschen!" (Liebe Kinder zu Hause an den Bildschirmen: Bitte nicht nachmachen!!!)

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Besserwisserei "Richtig schaukeln" 

Als Eriks Familie endlich den Heimweg antritt, starte ich dann doch die Hardchore-Variante: Schaukeln mit Schirm! Dazu hatte ich den ja eigentlich nur mitgenommen. Wieder mal möchte ich lieber gar nicht wissen, was die Umstehenden Leute denken. Ich glaube, über allem steht sowieso ganz dick das Motto: Tu nicht so erwachsen! Lass die anderen doch glotzen, Hauptsache, es macht Spaß.

Besserwisserei "Richtig schaukeln"  Besserwisserei "Richtig schaukeln"

Abschließend probieren wir dann noch diverse Wippen und Karussells aus um uns ein letztes Mal den Schwindel-Kick zu holen, dann ist es auch schon kurz vor neun und damit dringend Zeit die U-Bahn zu erwischen. Wird ja auch gleich dunkel. Aber eins ist sicher: ich war hier nicht zum letzten Mal. Nächstes Mal stell ich einen neuen Höhenrekord auf, versprochen. Spätestens, wenn ich den Überschlag geschafft habe, hört ihr von meinem Arzt.

 



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